Aus der "Chronik", Bd. 3:
Kapitel IV
Das "Hohe Haus" *
Diese einstige Behausung eines ritterlichen Dienstmannes des Bamberger Hochstifts verdankt
ihren Namen ihrer Höhe, die sie weit über die einstöckigen Wohnungen der Bauern
emporhob. Wo ein solcher Bau inmitten einer Siedlung stand, da schien es, als würden sich
die Dächer der Landleute bescheiden vor ihm ducken.
Vom Aussehen eines derartigen Hohen oder Steinernen Hauses, deren es früher nicht wenige
im Lande gab, konnte gelehrte Nachforschung ein ziemlich genaues Bild entwerfen. Für
gewöhnlich wurde der Bau auf einem erhöhten Geländepunkt errichtet, der den Blick auf die
Umgegend freigab. Dies trifft für den Bischofsheimer Ansitz zu.
Über einem gut gewölbten Keller aus wuchtigem Mauerwerk wuchs ein überhöhtes, aus
festen Quadern emporgemauertes Erdgeschoß empor, dessen Inneres nur durch sehr schmale
Schlitze Zutritt von etwas Tageslicht und frischer Luft erhielt. Jedem unberufenen
Eindringling war so der heimliche Einschlupf verwehrt. Die Tür, wiederum bewußt schmal
gehalten, öffnete sich in etwa doppelter Manneshöhe in der kahlen, glatten Steinwand. Nur
mittels einer Leiter oder mit Hilfe einer im Notfall leicht zu beseitigenden hölzernen Treppe
war sie zu erreichen. Von ihr aus leitete im Innern an einer der Wände eine schmale Steige
zum oberem n Stockwerk empor, das in Fachwerkbauweise auf die Quader aufgesetzt war.
Kleine, durch Holzläden verschließbare Fenster gestatteten hier Ausblick nach allen Seiten.
Ein Satteldach aus festem Eichengebälk mit aufgenagelten Schindeln, die bald hart
gebrannten Ziegeln weichen mußten, deckte den Bau.
Derartige Behausungen des niederen Adels, wie sie vor und um 1100 im deutschen Bereich
entstanden, lassen sich mehrfach in Franken nachweisen. Im Haßfurter Kerngebiet, erhob sich
das von der Adelsfamilie der Kottner käuflich 1418 von der Bürgerschaft übernommene
"Hohe Haus" (s. Kehl Chronik von Haßfurt, S. 56), und in Wonfurt ist noch ein ebenso
genanntes Gebäude für das Jahr 1605 bezeugt, dessen Platz später vom Schloß eingenom35
men wurde (Reg. sive Boicarum, Bd. 8). Der "Knock" bei Sylbach trug ein solches Bauwerk,
dessen Funktion später von einem wasserumschlossenen Haus im Nassachtal übernommen
wurde. Die Talschlösser Ebelsbach und Gleisenau gehen auf die den Hohen Häusern
ähnlichen "Steinernen Häuser" zurück. Der Vorgänger des einstigen Rotenhanschen
Schlosses zu Limbach gehört dazu, und auch Zeil besaß im Gelände des Mönchshofs
gegenüber dem Finanzamt einen derartigen Bau.
Sie alle boten ihren Bewohnern nur einen beschränkten Lebensraum im obersten Stock. Wenn
sie eine Bodenfläche von 10:10 m aufwiesen, wie es in Bischofsheim der Fall gewesen sein
muß, durfte die sie benützende Familie des Ritters zufrieden sein, besonders dann, wenn ein
Kamin eingebaut war. Wasserleitung gab es nicht. Es kann sein, dass in hochliegenden
Bauten, wie beim Bischofsheimer Hohen Haus, tief im Keller sich eine Zisterne zum
Auffangen des Regenwassers befand. Frisches Wasser mußte allerdings täglich vom
"Hirtenbrünnlein" am südwestlichen Hügelfuß heraufgeholt werden.
Die meisten der turmartigen Wohnbauten sind längst verschwunden. Was vom
Bischofsheimer Hohen Haus erhalten blieb, ist wenig genug: eine ganz leichte
Bodenerhebung, aus deren grobem Gesteinsschutt noch letzte Mauerstümpfe ragen. Die kaum
kniehohen Reste des Fundaments bestehen aus ansehnlichem Sandsteinquadern, von
eisenhartem Mörtel noch zusammengehalten. Gegen 10 m muß der Wohnturm im Unterbau in
Länge und Breite gemessen haben. Die Unterkellerung wird von der zerstörten Nord-Ost-
Seite her sichtbar.
Bei der Ausdehnung der in der Flurkarte deutlich aufgezeigten, 60 m langen, geradlinig
verlaufenden Mauer gegen Nord-Westen hin und in Betrachtung der bis 30 m vorspringenden
Mauer auf Süd-Ost zu besaß das Hohe Haus eine ganz ansehnliche Hoffläche. Sie bot mithin
genügend Platz für Nebengebäude, etwa für eine Stallung und für Unterkunftsgelegenheiten
verschiedener Art, so für den Reitknecht und eine Magd, für Pferdefutter u.a. mehr. Diese
niederen Bauten mußten einen gewissen Abstand vom Turmhaus wahren. Wie sie ihm
zugeordnet wurden, verrät die Karte nicht. Sie sagt auch nichts über die Lage des Torzugangs
aus.
Der Verlauf einer Wegverbindung Hohes Haus - Bischofsheim ist nur mit einiger Vorsicht
aus dem Gelände herauszulesen. Möglicherweise benützte der seit der Flurbereinigung
verschwundene ehemalige Schulsteig nach Dörflis hinüber bis zu einer Abknickung zwischen den Grundstücken Plannummer 147/150 dessen
einstige Führung.
Ob die Mauer um den Hofraum auch Verteidigungszwecken dienen sollte, erscheint fraglich.
Sie bezweckt wohl nicht mehr als eine Absperrung, wie dies etwa bei Parkmauern um
Adelssitze noch in neuer Zeit der Fall war.
Über das Aussehen des Hohen Hauses können nur Vermutungen ausgesprochen werden, die
sich an Albrecht Dürers "Weiherhäuschen in Nürnberg St. Johannis" und an das feste Haus
der Hohenstaufen bei Wächenbeuren im Schwäbischen (aufgezeigt in Graf
Waldburg/Wolfeggs Buch "Vom Nordreich der Hohenstaufen", München 1964, S. 67),
anlehnen. Der letztgenannte Bau dürfte zeitlich wohl dem Bischofsheimer Hohen Haus im
Vergleich am nächsten liegen. Auch ihm war eine Mauer an der Längsseite vorgelegt. Da für
den Standort des Bischofsheimer Wohnturms in Bezug auf die ihm zugehörige Mauerführung
keine Gewißheit besteht, werden auf der beigefügten Skizze zwei Möglichkeiten aufgewiesen.
Ob der Bischofsheimer Ansitz von seinem Oberstock aus in Blickverbindung mit Bamberg
oder mit dessen nächstem festen Stützpunkt in der Exklave Zeil, dem Castrum auf dem
heutigen Kapellenberg, stand, war nicht festzustellen. Es bestanden dann im bejahenden Fall
Verständigungsmöglichkeiten mittels Rauchzeichen am Tag und Feuerzeichen in der Nacht,
wichtig bei gefährlicher Bedrohung Bischofsheims in kriegerischen Zeiten. Hilfe vermochte
dann herbeigeholt zu werden. An solche Verständigungsmittel erinnert noch der eiserne
Feuerkorb hoch am Turm der Altenburg zu Bamberg.
Dass in dem merkwürdig geringen Sagenschatz Bischofsheims das Hohe Haus und ein Teil
seiner Bewohner eine Rolle spielten, ist nicht verwunderlich. So ist den älteren Frauen und
Männern des Dorfes schwer abzustreiten, dass das feste Haus nie der Sitz eines bösen
Raubritters gewesen ist. Ein solcher soll gegen 1500 seine Bischofsheimer Untertanen schwer
bedrückt haben und von Zeit zu Zeit zu räuberischen Überfällen mit Helfershelfern
ausgeritten sein. Dabei ließ er nach gelungener Untat die Hufe der Gäule verkehrt
aufschrauben, sodass auf Grund der Spuren ihm nichts nachzuweisen war.
Die nicht verderbliche Beute verbarg er im Keller des Hohen Hauses an ganz geheimer Stelle.
Er sei aber nicht dazu gekommen, das zusammengeraffte Gold und Silber, die Ringe und
Ketten zu genießen, weil er im Bauernkrieg von den wütenden Empörern erschlagen worden wäre. Man habe seinen Leichnam auf einen
Wagen gelegt, der mit drei ungemähnten jungen Gäulen bespannt wurde. Mit Peitschenhieben
habe man die Tiere davongejagt. Im Kappelwald hätte sich das Gefährt verfangen, und hier
sei der Raubritter verscharrt worden. In seinen festen Sitz aber hätte man Feuer geworfen und
den ausgebrannten Rest vollends zerstört.
An den verborgenen Schatz wurde lange Zeit fest geglaubt. Noch im ersten Viertel des 19.
Jahrhunderts versuchten begehrliche Bischofsheimer Männer, ihn zu mitternächtiger Stunde
zu heben. Im Schein einer Laterne gruben sie im Kellergewölbe nach. Sie sollen auch auf eine
eichene Truhe gestoßen sein, die von Eisenbändern umschlossen war. Doch als sie dieses aus
der Grube herauswuchten wollten, sei plötzlich auf dem Deckel ein unheimlich großer Hund
gesessen, der sie bei glühenden Augen und feurigem Schlund hinter mächtigem Gebiß
sprungbereit angeknurrt habe. Da sei ihnen das Herz in die Hosen gefallen, und sie seien
zitternd ins Dorf zurückgerannt.
Dieser Teufelshund könnte der verwünschte Geist des Raubritters gewesen sein. Man habe
zwar bereits nach dessen Tod über seinen Leichnam eine kleine Kapelle gebaut, aber "etwas
Gewisses darüber, ob der Unselige noch lange habe umgehen müssen, das wisse man nicht".
Die Kapelle hätte den Namen St. Dietrichskapelle erhalten.
* [Hermann Mauers Darstellungen sind hier recht spekulativ und beruhen v.a. auf Vermutungen!]